Huforthopädie

Huforthopädie – auch eine Heilmethode …(?)
ein Beitrag von Sandra Louis

Nägelkauen gilt ja bekanntlich als Unsitte

Nägelschneiden heißt die gesittete Variante, um dem Nagelwachstum Grenzen zu setzen – doch was tut eigentlich Freund Pferd um dem Hornwachstum beizukommen?

Die Minderheit der Pferde hat als Lauftier die Möglichkeit, sich zu langes Hufhorn auf wechselndem Untergrund abzulaufen.
Selten wird dieses hochspezialisierte Organ seiner Möglichkeit entsprechend genutzt und verkümmert in vielen Fällen durch unphysiologische Belastung:
– sei es durch nicht artgerechte Haltung; – sei es durch unflexiblen Hufbeschlag usw.

Die Folgen: Ausgebrochene Tragränder, instabile Hornsubstanz, überempfindliche Hufsohlen, Fehlstellungen bis hin zur massiven Huferkrankung, nicht haltende Beschläge und chronische Lahmheiten etc.
Solche Hufe werden dann mit Hilfe von Fütterungszusätzen oder sogenannten orthopädischen Beschlägen aufzupäppeln versucht.

Doch zumeist setzen viele mit ihrer Therapie an der falschen Stelle an: So versucht manch einer die mangelnde Hornqualität bei einem eisenbeschlagenen Kameraden in der Boxenhaltung mit Biotinfütterung beizukommen.

Biotin – ein lohnender Zusatzfuttermittel?

Wissen Sie, dass Ihr Pferd Biotin in ausreichender Menge im Darm synthetisiert? Leider gelangt es jedoch durch den eingeschränkten Hufmechanismus und mangelnder Bewegung nicht in den Huf.
Die für das Hornwachstum notwendigen Menge des Vitamins A und Zink sind in der Regel bei Heufütterung abgedeckt.
Biogene Schwefelverbindungen wie Methionin + Cystein sind im jungen Gras enthalten und lassen Horn verstärkt sprießen. Eine Zufütterung dieser Substanz kann speziell im Winter sinnvoll sein (z.B. Salvana Hufstabil).

Haltungsbedingung und Hornqualität

Zu allererst jedoch sollte man sich Ursachen mangelnder Hornqualität bewußt machen und keine Symptomenbekämpfung betreiben, indem man Mittelchen fürs gute Gewissen zufüttert oder aufschmiert, die in aller Regel noch sündhaft teuer sind.

Wir müssen zurück zum Ursprung und uns vor Augen führen, dass unser Freund Pferd keineswegs eingepfercht in 3*3m, die Hufe im Mist (Ammoniak löst sich in Wasser zu Salmiakgeist = einer aggressiven Lauge, die Protein – also Horn – angreift!) – Käfighaltung oder euphemistisch Box genannt, gehalten werden sollte.

Der Huf des Pferdes ist – wie der restliche Körper übrigens auch – auf Laufen ausgerichtet.

Das Pferd als Lauftier

Der Verdauungsapparat z.B. funktioniert optimal bei Bewegung wie auch der gesamte Bewegungsapparat. Beispielsweise werden die Hufknorpel durch Diffusion mit Nährstoffen versorgt, die allein bei Bewegung funktioniert.

Der Huf des Pferdes ist als Blutpumpe anzusehen: Durch das Weiten und Zusammenziehen der Hornkapsel in der Bewegung zirkuliert das Blut optimal.

Und wenn man bedenkt, dass die Aufbaustoffe für das Hufhorn mit dem Blut in den Huf gelangen, kann man sich leicht erklären, warum durch eingeschränkten Hufmechanismus – also durch Einsperren und Eisenbeschlag – mangelhafte Hornqualität erzeugt wird.

Gesunde Hufe erfordern physiologische Belastung.
Grundvoraussetzung für belastbares Horn
– ist die artgerechte Haltung auf wechselndem Untergrund,
– ist die nutzungsorientierte Verwendung von alternativem Hufschutz
und die ausreichende Zufuhr von Nährstoffen durch Mineralfutter.

Ich wage die kühne Behauptung, dass 80 – 90% der Hufprobleme jeglicher Art auf eine nicht artgerechte Haltung zum Teil in Kombination mit Eisenbeschlag zurückzuführen sind.

Hufe schneiden…

Die Notwendigkeit des Schneidens der Hufe ist eine ganz individuelle Angelegenheit. Da gibt es Pferde, die in ihrem Leben keinen Schmied sehen und gesunde und leistungsfähige Hufe haben, die ihrer Belastung gemäß nachwachsen – und es gibt Pferde, deren Horn alle 3 – 5 Wochen massiv gekürzt werden muß.

Auch die Empfindlichkeit auf harten Untergründen ist eine ganz individuelle Sache. Pferde gleicher Rasse, Fütterung, Haltung und gleichen Alters können auf Untergründe unterschiedlich reagieren.
So kann und sollte man zwar für jedes Pferd optimale Haltungsbedingungen schaffen, bei der daraus resultierenden Belastbarkeit der Hufe jedoch kommt jedes Tier an seine persönliche Grenze.

Manche Tiere traben über Schotter als liefen sie auf Watte, andere wiederum möchte man in dieselbe packen. Für diese Pferde ist Hufschutz angebracht; und zwar ein Hufschutz, der die Physiologie des Hufes nicht einschränkt: Hufschuhe, Kunststoffbeschlag, Acryllack usw.

Die Palette der unterschiedlichen Möglichkeiten ist mittlerweile groß und für jedes Pferd findet sich eine gesunde akzeptable Lösung, so dass man nicht mehr auf Eisenbeschläge zurückgreifen muß, um den Huf zu „schützen“.

Hufkorrektur

Trotz aller optimalen Bedingungen kann sich jedoch die Notwendigkeit einer Hufkorrektur ergeben.
Gründe hierfür können erbliche Dispositionen von Fehlstellungen sein, erworbene Fehlstellungen (pränatal oder postnatal), Huferkrankungen wie Hufrehe, Hufbeinsenkung oder Erkrankungen des Bewegungsapparates mit daraus resultierender Schonhaltung und damit ungleicher Abnutzung.

Hier ist der Huforthopäde gefragt.

Huforthopädie… im landläufigen Sinne

In der Regel wird unter Huforthopädie das Aufbringen eines der entsprechenden Krankheiten zugeordneten Eisens verstanden, welches eine Heilung positiv beeinflussen soll.

Allerdings sollte man sich fragen:

  • ob es wirklich sinnvoll ist, eine entzündete Sehne oder ein entzündetes Gelenk zusätzlich mit einem Eisen zu belasten, dass doppelt bis dreifach soviel Gewicht mitbringt wie die Hornkapsel selber
  • ob es sinnvoll ist, einem Huf die optimale Durchblutung zu versagen, indem man den Hufmechanismus blockiert, obschon grade die Durchblutung eine wesentlicher und unverzichtbarer Bestandteil einer Heilung ist (z.B. bei Podotrochlose – Hufrollensymptom).

Hufbehandlung – Korrektur – Hufkrankheiten

Ich vertrete die Ansicht, dass die Korrektur eines Stellungsfehler sowie die Behandlung einer Hufkrankheit nur beschlagfrei optimal durchgeführt werden kann.
Grundsätzlich ist eine Korrektur in jedem Alter möglich und sinnvoll, denn jeder Stellungsfehler stellt eine mangelhafte Drucksituation und damit eine Überlastung bestimmter Gelenkregionen dar – was zu verfrühter Abnutzung führen kann.

Das das Hufwachstum bei jüngeren Pferden größer ist, geht eine Hufkorrektur in jungen Jahren entsprechend schneller, sollte aber auch älteren Tieren nicht verwehrt werden.

Stellungsfehler sollte man behutsam beheben und nicht im 8 – 10 Wochen-Hau-Ruck-Verfahren.

Hierzu ein Beispiel zur Verdeutlichung:

Bockhuf – ein Beispiel

Habe ich ein Pferd mit einem oder mehreren Bockhufen, so taste ich mich langsam an eine optimale Hufform heran, bei der immer im Vordergrund steht, dass das Pferd die Lust am Laufen nicht durch Schmerz verliert. Schmerzen können durch die plötzliche Umstellung, d.h. Winkelveränderung des Hufes, entstehen.

So schneide ich wöchentlich geringe Mengen Trachtenhorn herunter, um eine langsame Anpassung der Sehnen und Bänder an die neue Druck- und Zugsituation zu gewährleisten.

Dies ist unter Beschlag nicht praktikabel. Zudem kann ich am Huf durch Beschneiden eine Situation schaffen, die eine vermehrte Abnutzung der Trachtenregion provoziert, so dass ich die physiologische Abnutzung gleitend in die richtigen Bahnen lenken kann – ohne jedesmal Hand anlegen zu müssen.

Hufbeinsenkung – Hufrehe

Ebenso ist die Huforthopädie in der Lage massive Huferkrankungen wie etwa eine Hufbeinsenkung zu revidieren, während die traditionelle Schulmedizin sie mit „orthopädischen“ Eisen lediglich zu konservieren vermag.

Allerdings erfordert die Hufrehekorrektur entsprechende Untergrundbedingungen für den Barhuf – wie ich sie z.B. in meiner Hufklinik zu optimieren suche – denn wichtig ist auch hier:
Die Bewegung macht´s möglich, denn schließlich haben wir uns ein Lauftier als Kameraden ausgesucht.

ein Beitrag von Sandra Louis